Wie sieht eigentlich der perfekte Abend aus? Ein Barbecue mit Kobe-Rind? Ein Date mit Doro Pesch? Ein 8-Stunden-Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Marathon? Weltfrieden? Naja... Ganz sicher nicht Weltfrieden, denn "This Time It's War" - Bolt Thrower drehen die erste Europa-Runde seit 2006 und machen an diesem denkwürdigen Tag im Berliner SO36 klar, wie der perfekte Abend aussieht!
Und der beginnt mit den holländischen Soulburn. Ein Name, der im ersten Moment für kollektives Achselzucken sorgt, verspricht beim Blick auf die Exekutive dann schon eher ein ziemlich fettes Brett. Die Asphyx-Mucker Eric Daniels und Bob Bagchus trümmern hier gemeinsam mit Twan Van Geel (Legion Of The Damned) und Remco Kreft (Grand Supreme Blood Court) bösartigen, angeschwärzten Death-Doom in die Menge.
Die Band hat zwar in anderer Besetzung bereits Ende der 90er die Scheibe "Feeding On Angels" herausgebracht, aber viele Songs stammen vom kommenden "The Suffocating Darkness" und können das Publikum erstmals aus der Reserve locken. Vor allem die brutalen Vocals von Van Geel sorgen für die ersten aufgestellten Nackenhaare. Im Bereich zwischen Bühne und Mischpult ist übrigens auch der Sound sehr ordentlich, im hinteren Bereich wird es (typisch SO36) etwas breiig.
Dieser Umstand täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass Drummer Bob Bagchus heute Abend spielt wie eine Wurst. Punkt. Der Mann eiert und poltert durch die Songs und nimmt diesen so mächtigen Kompositionen eindeutig die Durchschlagskraft. Dennoch kann man den holländischen Recken einen ordentlichen Anheizer-Job bescheinigen!
Nach der Support-Band wird die Umbaupause normalerweise für einen Rundgang im altehrwürdigen SO36 genutzt... nur ist das heute eine echte Herausforderung. Der Laden ist seit Wochen restlos ausverkauft und so ist das Gedränge an den neuralgischen Punkten besonders dicht. Trotzdem machen vor allem die Jungs und Mädels an der Bar einen sehr schnellen und unkomplizierten Job, ein großes Kompliment an dieser Stelle.
Der totale Wahnsinn spielt sich aber am Merchandise-Stand ab. Bei Shirt-Preisen von 10-12 Euro (und einem Eintrittspreis von 16 Euro!!!) ist es aber auch kein Wunder, dass die Fans heute für einen reißenden Textilabsatz sorgen. Nicht wenige Besucher gehen mit drei oder vier Shirts nach Hause! Vielleicht sollten Bolt Thrower vielleicht doch wenigstens über einen Online-Shop nachdenken. Auf jeden Fall kann man der Band gar nicht genug Respekt dafür zollen, dass sie alle Management- und Booking-Aufgaben in Eigenregie übernehmen und deshalb diese unfassbar Fan-freundlichen Preise umsetzen können.
So begrüßt Morgoth-Fronter Marc Grewe die Meute dann auch mit: "Berlin! Drei Bands für diesen Preis! Ist das der Hammer?!?" Ist es. Und ein ebenso großer Hammer ist der Gig der Sauerland-Berlin-Connection! Glasklar und brüllend laut drückt "Body Count" aus den Boxen. Marc Reign (ex-Destruction) knüppelt hinter der Schießbude wie ein Wahnsinniger und doch sehr präzise. So sorgt er mit seiner Band für einen Druck, der die Kursk gleich noch einmal zerbersten lassen könnte. "Suffer Life" oder "Under The Surface" sind über 20 Jahre alt, klingen aber so modern und aktuell, als würde es sich um ein Nuclear-Blast-Topsigning aus 2014 handeln. Es fällt überhaupt nicht auf, dass unter anderem mit "God Is Evil" auch brandneue Songs verbraten werden. Und das ist einfach der ultimative Beweis dafür, dass diese Reunion nicht nur sinnvoll, sondern notwendig war.
Das sehen die ersten Stagediver auch so, die sich gegen Mitte des Sets ("Resistance") schüchtern auf die Bühne wagen und von Marc Grewe freundlich per Handschlag begrüßt werden. So richtig geht der Punk dann aber gegen Ende ab, denn der Doppelschlag "Isolated" und "Burnt Identity" lässt die Stimmung fast überkochen. "Pits Of Utomno" beschließt das Set, in dem sich übrigens kein Song vom deftig kritisierten "Feel Sorry For The Fanatic"-Album befindet. Eine Stunde, die sich angefühlt hat wie 10 Minuten.
Trotz dieser Klasse-Leistung ist aber irgendwie jedem Zuschauer klar, dass wir den Gipfel der Begeisterung noch lange nicht erreicht haben. An der im Saal vorherrschenden Erwartungshaltung würden handelsübliche englische Fußballer in Sekunden zerbrechen, dem britischen Death Metal-Mucker scheint sie jedoch völlig egal zu sein. Mit "War" und "Remembrance" entern Bolt Thrower die Bühne des SO36 und blasen in einem regelrechten Feuersturm über das komplett steil gehende Publikum hinweg. Die Lautstärke grenzt an Körperverletzung, der Sound ist so unermesslich fett, dass der Bolzenwerfer keine Probleme damit hat, den so oft zitierten Vergleich mit dem akustischen Panzer hervorzurufen. Sänger Karl Willetts bellt seine militärischen Metaphern mit ungeheurer Wucht ins Audience und der Basssound von Jo Bench fühlt sich an, wie ein Schlag in die Magengrube.
Für eine Death Metal-Band verfügen Bolt Thrower übrigens auch über ein ansehnliches Hit-Arsenal. Ganz entspannt werden Übersongs wie "Mercenary" oder "World Eater" schon zu Beginn abgefeuert, die natürlich bedingungslos abgefeiert werden. Ständig fliegen Stagediver in den Pit vor der Bühne. Man steht wirklich dicht an dicht, dennoch hat jeder Besucher Platz zum Mitsingen, Fäuste-Recken und Headbangen. Ab und zu kommt zwar mal ein Ellenbogen geflogen, aber hier hat niemand behauptet, er hätte sich zum Seniorenhalma verirrt.
Der gut angeschossene Karl Willetts geht irgendwann dazu über, nur noch die Songtitel in Richtung Publikum zum Brüllen, wenn das Begeisterungslevel nach den Songs von 110% auf 109% abzurutschen droht: "The IVth Crusade", "...For Victory", "No Guts, No Glory", "The Killchain", "Powder Burns". Hintereinander weg. Ohne Atempause. Sowas hat die Welt garantiert noch nicht gesehen. Danach verschwindet die Truppe erstmal hinter der Bühne, damit die Fans wenigstens für zwei Minuten die Chance haben, sich zu sammeln.
Doch natürlich ist noch lange nicht Schluss. Der Wiedereinstieg gerät mit dem Uralt-Klassiker "In Battle There Is No Law" ungewohnt heftig. Vier Songs gibt's insgesamt als Nachschlag, bevor dann nach "Entrenched" und einer gut 100-minütigen Schlacht Schluss ist.
Was kann man nach solch einem Konzert noch sagen? Ein bisschen Wehmut herrscht am Ende des Konzertes vor. "When Cannons Fade" wurde von Willetts angekündigt als "the last song we've ever written". Das klingt irgendwie nach Abschied. "Those Once Loyal" hat inzwischen zehn Jahre auf dem Buckel und die Hauptsongwriter Gavin Ward und Barry Thomson machen irgendwie nicht den Eindruck, als würden sie noch einmal mit frischem Material um die Ecke kommen. Deshalb kann die Empfehlung nur heißen: Wenn ihr die Chance habt, dann seht euch diese unfassbare Band an. Ich persönlich glaube nicht, dass es eine bessere Death Metal-Band gibt. Vor allem auf dem Live-Sektor die unangefochtene Nummer eins!
So sieht der perfekte Abend aus! Es fällt jedenfalls beim Heraustreten in die kühle Kreuzberger Nacht schwer, sich einen besseren vorzustellen.
Setlist:
War
Remembrance
Mercenary
World Eater
Cenotaph
Anti-Tank (Dead Armour)
Warmaster
Where Next to Conquer
This Time It's War
The IVth Crusade
...For Victory
No Guts, No Glory
The Killchain
Powder Burns
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In Battle There Is No Law
When Cannons Fade
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Silent Demise
Entrenched
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Steppo
pillermann