06.11.2014 - Saint Vitus & Orange Goblin im SO36, Berlin

Vor unfassbaren 35 Jahren gründeten Dave Chandler (Gitarre), Scott Reagers (Gesang), Mark Adams (Bass) und Armando Acosta (Drums) die Band Saint Vitus, die neben BLACK SABBATH unbestritten zu den wichtigsten Doom Metal-Bands aller Zeiten gehört. Zwar ist Reagers bis auf ein kurzes Gastspiel Mitte der 90er schon seit 1986 nicht mehr in der Band, aber sein Ersatzmann Scott "Wino" Weinrich ist in der Doom-/Stoner-Szene ebenfalls eine absolute Größe, der mit seinen eigenen Bands The Obsessed, Spirit Caravan oder The Hidden Hand erstklassige Scheiben veröffenticht hat. Nebenbei hat der gute Wino den Vitus'schen Opus Maximus eingesungen - BORN TOO LATE.


Auf der Platte war ebenso wie bei der Reunion 2003 Ur-Drummer Armando Acosta noch dabei. Leider ist der Mann mit dem Helm 2010 verstorben. Für ihn darf sich jetzt der etwas jüngere, aber dafür umso beleibtere Henry Vasquez an den Drums austoben. In dieser Besetzung schickten sich die Doom-Urväter also an, zu beweisen, dass sie trotz 35 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehören.



Zunächst wurde der Abend allerdings von einer weiteren Legende eröffnet. Die Briten Orange Goblin stehen für psychodelisch angehauchten, aber nichtsdestotrotz knüppelharten Stoner Rock, den die Band auch an diesem Abend unnachahmlich ins Publikum schleudert. Zum Einstieg gibt's "Scorpionica" und sofort steht Front-Tower Ben Ward im Blickpunkt, hinter dem wahrscheinlich 80% der Konzertbesucher völlig verschwinden würden. Ohne Scheiß: Arme wie Baumstämme, Hände wie Bratpfannen, eine dezente Bierwampe und eine Stimme aus der Hölle - eine wirkliche Erscheinung der Typ. Auch wenn er heute stimmlich ein klein wenig angekratzt scheint, liefert der Mann eine klasse Show ab.


Seine Band steht ihm aber in nichts nach. Gitarrist Joe Hoare zockt cool seine gut abgehangenen Stoner Riffs mit gekonnt bluesigen Einschüben, während Bassist Martyn Millard mit Geezer-Butler-Gedächtnis-Basslinien überzeugen kann.


So ist die Setlist dann auch gut durchmischt. Schnelle Klopper wie "The Devil's Whip" wechseln sich mit groovenden, getragenen Stücken wie "The Fog" oder "Heavy Lies The Crown" ab. Nach über einer Stunde entlässt uns der fist-pumpende Ben Ward mit "Red Tide Rising". Ein mächtiger Anheizer, bei dem wirklich nur die blecherne Snare etwas störte.





Zwanzig Umbau-Minuten später, in denen die Headbanger vor der Bühne übrigens das mächtige Maurer-Dekolleté von Drummer Henry Vasquez bewundern durften, schlappen dann die Doom-Urväter betont unaufgeregt auf die Bühne. Wino und Dave Chandler begrüßen kurz das Publikum und dann knallen Saint Vitus in ihrer unnachahmlichen Langsamkeit los. "Living Backwards" und "I Bleed Black" machen den Anfang, das SO36 ist inzwischen voll, der Sound drückt ordentlich, die Lichtshow stimmt und die Band spielt sich kurzerhand in einen Rausch, der für die nächsten anderthalben Stunden andauern wird.


Konnte Goblin-Fronter Ben Ward noch mit einer Stimme aus der Hölle überzeugen, wird bei Wino hingegen mal wieder klar, dass dieser Mann einfach vom Gehörnten persönlich besessen sein muss. Sein Gesang pendelt zielsicher zwischer klagend und wütend, sein Minenspiel ist manisch und er durchbohrt das Publikum mit seinen Blicken. Daneben tänzelt Doom-Hippie Dave Chandler in seiner typischen Art und Weise, bis er dann während der Gitarrensoli in seine ungeheuerlichen Wah-Wah- und Feedback-Orgien abdriftet. Angetrieben wird dieses muntere Spiel von angesprochenem Henry Vasquez - einem hoch-wie-breit Mexikaner, der seine Lastwagenreifen-großen Becken mit weit ausholenden Armbewegungen vermöbelt. Völlig unbeteiligt steht wie immer Bass-Monolith Mark Adams auf der rechten Bühnenseite, der seine Lines übrigens oftmals mit einem einzigen Finger abspult. Diese Band entwickelt sofort eine einzigartige Chemie, sodass es einfach völlig egal ist, ob steinalte Songs ("War Is Our Destiny"), punkige Nummern ("White Stallions"), neues Material ("Let Them Fall") oder eben die BORN TOO LATE-Hits zelebriert werden.


Zum Abschluss des regulären Sets kredenzt uns die Band mit "Dying Inside", "Clear Windowpane" (einmaliger Ausrutscher von Wino am Ende...) und natürlich "Born Too Late" ihre drei wohl größten Hits. Die Zugabe "Saint Vitus" wird dann von Henry Vasquez sehr witzig in Michael Buffer-Manier ("Let's get ready to ruuuuubbblleeeeeee!!!!!") eingeleitet. Eigentlich sollte danach Schluss sein, aber das Berliner Publikum hat offenbar noch lange nicht genug und brüllt die Band noch ein weiteres mal für "The Waste of Time" auf die Bühne, mit dem sich Saint Vitus sodann zünftig verabschieden.



Wir halten fest: Saint Vitus haben offenbar noch lange nicht fertig, sie können die Vorlage ihrer jüngeren Kollegen ohne Probleme verwandelt. Die letzte Scheibe LILLIE: F-65 zeigte die Band in Höchstform und nach dieser geilen Show besteht nicht der leiseste Zweifel, dass Wino, Chandler und co. in irgendeiner Weise nachlassen könnten. Ein paar Deutschland-Shows stehen noch an, also GEHT DA HIN!!!!



Setlist Saint Vitus


Living Backwards

I Bleed Black

War Is Our Destiny

Blessed Night

Let Them Fall

White Stallions

The Troll

The War Starter

The Lost Feeling

H.A.A.G.

Dying Inside

Clear Windowpane

Born Too Late

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Saint Vitus

The Waste of Time

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