Knorkator - Es geht nicht nur ums Pinkeln, Scheißen und Ficken
- KingNothing1234
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Wer kann dem schon widerstehen, wenn man von Stumpen zum Pflaumenkuchen eingeladen wird? Wir nicht! Also haben wir den Bleistift gespitzt und den Sänger von Knorkator mit unseren Fragen gelöchert.
Herausgekommen ist dabei ein spannendes Interview, in dem es nicht nur ums Pinkeln, Scheißen, Ficken geht.
Am 16. September erscheint mit „Ich bin der Boss“ das inzwischen neunte Knorkator Album. Es sticht bei der Scheibe besonders ein Track heraus - "Die Geschichten von den schwarzen Buben". Gerade in Hinsicht auf die Geschehnisse von vor zwei Jahren, dem Riesentrara unter anderem auf Grund des Plattencovers von „We Want Mohr“, kommt die Überlegung auf, ob dies eine Antwort auf die damaligen Kritiker ist?
Eher nein.Wir haben irgendwann vor "We Want Mohr" beschlossen alle Struwwelpeter Geschichten gesanglich umzusetzen und jetzt auf diesen Titel zu verzichten wäre genau die falsche Antwort, um es mal so auszudrücken. Alf (Ator) hat da eine wunderbare, musikalische Interpretation dazu verfasst, die wir dann umgesetzt haben.
Die damaligen Vorwürfe bezogen sich darauf, dass wir etwas unüberlegt ein Artwork geschaffen haben, welches natürlich rassistisch bewertet werden könnte, wenn man es aus dem Kontext heraus nimmt. Natürlich müssen wir uns diesen Vorwürfen stellen und wir wären auch gerne bereit gewesen uns zu erklären. Bei denen, die sich dafür interessierten, haben wir uns auch entschuldigt. Aber gerade diejenigen, die diese Vorwürfe gestaltet haben, waren zu keinem Dialog bereit.
Vor allem ging es ja wohl um das Tourplakat, was einige Gruppen auf den Plan rief.
Das ist ja auch legitim. Aber nimmt man sich nur eine Phrase aus einem Text, um diese dann so oberflächlich für öffentliche Kritik zu nutzen, dann hätten wir natürlich auch gerne im Gegenzug eine Art öffentliche Rehabilitation auf Basis unserer Sicht gehabt. Dies war aber nicht möglich.
Dann könnte man schon meinen, es ist eine Art innere Genugtuung, den Song nun endlich zu veröffentlichen?
Das kann man so nicht sagen. Natürlich haben wir uns auch über neue Vorwürfe Gedanken gemacht. Welches Wort darf man noch sagen, ist das Buch denn nun wirklich verboten. Aber wie schon gesagt, wollen wir das gesamte Werk des Struwwelpeters umsetzen. Für uns ist es Kultur. Da möchten wir auch nicht über irgendwelche Rechtfertigungen reden müssen, ob Pipi Langstrumpf, Der Kleine Muck oder dies oder jenes rassistisch ist. Wir interpretieren diese Kultur.
Das Wort Rassismus ist heutzutage nicht mehr so schwergewichtig und drückt auch nicht mehr das aus, was es mal war. Ein Rassist ist quasi ein Arschloch, Punkt, Aus Ende.
Wenn wir dann so bezeichnet werden, finden wir uns da in eine Gruppe mit zum Beispiel Sarah Kuttner, Dieter Hallervorden und andern wieder, wo eigentlich nur ein großes Schulterzucken vorherrscht. Wer gestaltet den Vorwurf? Was steckt dahinter? Da geht es dann gar nicht mehr um Rassismus. Es geht nur noch um Befindlichkeiten bezüglich eines Wortes, ob es nicht mehr genutzt werden sollte und nicht darum, dass jemand auf Grund seiner Couleur diskreditiert, beleidigt, verletzt oder misshandelt wird.
Wenn man heute darüber nachdenken muss, wie man seinen Gegenüber verbal politisch korrekt bezeichnet, sehe ich darin kein normales menschliches Denken. Nur diejenigen, welche sich in der Öffentlichkeit beleidigt fühlen wollen, um etwas zu sagen, fühlen sich davon angesprochen.
Ich habe nie jemanden persönlich angegriffen und das auch nie gewollt. Wenn sich jemand persönlich beleidigt fühlt, entschuldige ich mich auch, aber weise dann darauf hin, wie es gemeint war. Sprich Satire oder aber eben mit Hinweis auf kulturelles Erbe eines Werkes.
Knorkator haben ja schon immer, wenn auch manchmal gut verpackt, Sozialkritik geübt. Mit "Ich bin der Boss" habt ihr, für meinen Geschmack, nochmal eine ordentliche Schippe drauf gelegt und das bis jetzt wohl sozialkritischste Album der Bandgeschichte geschrieben. War das beabsichtigt?
Nein. Ich denke das ist eher die normale Entwicklung. Dieser Teint von Zeitgeist ist einfach entstanden. Klar kann man Titel wie "Sie Kommen" interpretieren, wie man ihn selbst gerade haben möchte. Sei es als beängstigende Vorstellung der Völkerwanderung, welche alle paar Jahrhunderte stattfindet und wir sie aktuell auch gerade erleben, oder aber auch als Vorbereitung auf eben das Kommende. Aber um dann nicht zu einer Hymne irgendwelcher Bewegungen zu werden, weiß Alf es dann geschickt am Ende noch den typischen Knorkatoreffekt einzubauen und dem ganzen die Würze zu nehmen.
Als Hymne für jene könnte man sicher auch "Setz dich hin" interpretieren. Auch wenn einige sicher nur das Video mit Axel Prahls Zauberkunststücken und die Band beim Kuchen essen vor sich sieht, Hat gerade dieser Text enormes Diskussionspotential.
Das liegt daran, dass Alf vorrangig zeitlose Musik und Texte schreiben möchte. Themen die morgen irrelevant sind, stehen da nicht als erstes auf dem Plan. Es geht um den Alltag und dazu gehört natürlich auch wie in älteren Songs Pinkeln, Scheißen, Ficken, aber eben auch die Politik. Das war vor 1000 Jahren so und wird auch in 1000 Jahren so sein.
Da ist also diese eine Aussage, dass einer alleine kultiviert, klug entscheiden kann. Die Menge der Gesellschaft aber immer komplexer und komplizierter wird, da sie ja auch wächst. Und schließlich wird es schwierig, weil niemand mehr imstande ist richtig zuzuhören, was in einem heilloses Durcheinander mündet. Das gilt, gestern heut und sicher auch morgen.
Mit Eldorada von der Goombay Dance Band ist erneut eine obligatorische Coverversion mit dabei. Wie geht ihr beim Auswählen dieser Titel eigentlich vor? Entscheidet ihr zwei Tage bevor es ins Studio geht, welchen Song ihr diesmal verwurstelt?
Nein, die Ideen für die Coversongs reifen schon länger. So haben wir auch noch drei, vier andere Songs in Petto, welche vom Konstrukt der Komposition eine Menge hergeben. Und da Alf den Anspruch hat immer besser als das Original zu sein, kann man da noch so einiges erwarten.
Wie zufrieden seid ihr denn eigentlich mit "Ich bin der Boss"?
Ich halte mich da für relativ selbstkritisch und genau deswegen muss ich sagen, dass "Ich bin der Boss" für mich die Lieblingsplatte von allen ist. Das beginnt bei der Produktion, geht weiter darüber, dass wir das erste Mal wirklich die Zeit zusammen hatten, aber auch die nötigen Finanzen zur Verfügung standen. Klar haben alle Alben Spaß gemacht, keine Frage, aber jeder in der Band konnte immer nur hier und da dann seinen Part einspielen, wenn er ein bisschen Zeit hatte. Aber diesmal war eben alles irgendwie besser. Die Aufnahmen waren früh genug geplant, die Songs waren rechtzeitig fertig.
Als audiophiler Mensch, wie ich einer bin, haben wir auch versucht digitale Produktionsprozesse zu meiden und das haben wir so gut wie möglich umsetzen können.
Und auch das Ganze drumherum ist der Wahnsinn. Ob dass das 120 Seite dicke Buch, die CD mit Karaoke DVD oder aber das Quintett, ja, kein normales Quartett, nein, ein Quintett, ist, dass wird so geil.
Inzwischen ist zum Album nun schon das dritte Video erschienen. Eigentlich sind so viele Vorabhäppchen eher untypisch, oder?
Auf jeden Fall ist es untypisch. Aber ich wollte die Musik denjenigen zugänglich machen, für die wir sie machen. Außerdem, wenn ich mir etwas kaufe, möchte ich ja auch vorher wissen, was drauf ist. Und das dann nicht nur 15 Sekunden als Preview bei iTunes oder ähnlichem. Natürlich sind die Videos weiterhin eine Werbung für das Album, aber da der Musiker heutzutage ja nicht mehr allein von den Plattenverkäufen leben kann, sollen sie natürlich auch auf die kommende Tour heiß machen. Und deswegen kommt demnächst auch noch ein viertes Video.
Apropos Video, wird Stumpen denn auch irgendwann mal in einem Rammstein Video zu sehen sein?
Nein, das wird nicht passieren. Till hatte mir damals den Gefallen getan, aber zu einem sogenannten Logoaustausch wird es nicht kommen.
Wo wir dann auch beim Thema Tour wären. Diese geht ja im Oktober los und der Promotext zu den Konzert verrät bis lang wenig.
Nee, gar nichts. :-)
Wenn man jetzt nach einem Motto oder Thema fragen würde, was bekäme man dann zur Antwort?
Nicht wirklich viel. Wir planen die Tour inhaltlich erst kurz vorher. Die Auswahl der Songs, Gastmusiker, ob es noch Support gibt, ob die Bühne mit Blumen oder diesmal mit Fahrrädern ausgelegt wird oder ob wir von der Decke hängen entscheidet sich alles noch. Und zwar je nach Gesundheitszustand - wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten - aber vor allem nach Auswertung der gesamten letzten Jahre. Denn wir wollen, auch wenn es eigentlich immer wieder die selbe Soße ist, dass es für die Fans wie neu wirkt.
Aber länger als 77 Minuten wird es doch?
Auf alle Fälle!
Sollen wir hungrig erscheinen, oder wird Essen "serviert"?
Nein, das vegetarische Flugcatering wurde gestrichen. Zwar würden wir gerne wieder solche delikaten Highlights einbauen, aber wir haben wirklich viel verbrannte Erde bei einigen Veranstaltern hinterlassen. Wir haben Fernseher kaputt geschlagen, Furchen auf Bühnen gezogen. Klar, dass dies zur unserer Freude und der Fans ankam. Die Veranstalter, welche dann aber nach uns aufräumen durften waren weniger begeistert.
Deswegen haben wir uns geeinigt, solche Dinge dann doch stecken zu lassen, damit alle glücklich aus der Angelegenheit rausgehen.
Im Song "Zähneputzen, pullern und ab ins Bett" äußert ihr ja den Wunsch nach Amerika und Japan zu fliegen. Habt ihr denn Einfluss auf die Tourplanung?
Ja, klar, wir machen sie ja selber und Tokyo wäre natürlich ein Traum. Aber da Knorkator in dem Sinne in Japan nicht stattfinden, wird es wohl auch einer bleiben. Es gibt nun mal keinen, der uns da hinbringt.
Und wo würdet ihr sonst noch gerne spielen wollen?
Eigentlich überall. Allerdings haben wir nicht so großes Interesse daran zum Beispiel zwölf Stunden im Flieger nach Toronto zu sitzen, Aussteigen, müde wie man ist auf die Bühne in einem vielleicht leeren Saal und gleich wieder zurück. Dann doch lieber vier bis sechs Stunden nach Moskau und Petersburg wo die Säle dann auch voll sind, worüber wir immer sehr erstaunt und auch erfreut sind.
Frankreich, Schweiz und Österreich sind auch immer wieder unsere Ziele, aber zum Beispiel England, Türkei, Rumänien, alles Länder, die wir noch nicht besucht haben, da hat sich noch nichts ergeben.
Wir würden auch, wenn es passt als Support wo mitfahren. Also wenn internationale Bookingfirmen daran Interesse haben, wir wären bereit!
Heimische, volle Säle sind ja bei euch ja keine Seltenheit. Wie erklärt ihr euch eigentlich ein doch recht treue Fangemeinschaft. Ich meine, alle Alben betrachtet, gibt es ja nun nicht wirklich den ultimativen Roten Faden.
Von dieser Treue sind auch wir immer wieder aufs Neue positiv überrascht. Zum einen sind tatsächlich die ganzen alten Fans welche mit uns gealtert sind und vor der Bühne 'Ficken, Scheißen' brüllen. Und nach unserer Pause 2011 hat sich dann ein junges Publikum dazugesellt, was bereit war sich auf uns einzulassen. Dadurch das wir als Band Knorkator ja nun in kaum einem Medium präsent sind, freuen wir uns natürlich um so mehr.
Ich denke, dass wird mit der neuen Platte auch nochmal mehr werden. Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf das Album und vor allem auf die Tour. Zum Abschluss noch die Frage, was sagt der viertbeste Kirschkernweitspucker von Köpenick eigentlich zur aktuellen Spargelsaison?
Ich hab dieser Jahr nicht eine Stange gegessen und kann von daher gar nichts zu sagen. Außer das man behauptet, das nach dem Spargelkonsum die Pisse ganz salzig schmecken soll, kann ich zu dem Thema nicht viel beitragen.
Wir freuen euch, uns zu sehen!
Die Band:
Stumpen, Gesang
Alf Ator, Keybord + Gesang
Buzz Dee, Gitarre
Rajko Gohlke, Bass
Nick Aragua, Schlagzeug
https://www.facebook.com/knorkatormusik
https://www.youtube.com/user/Knorkatorstumpen
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