Was ist der Unterschied zwischen AC/DC und Devin Townsend?
Wenn Devin ein neues Album ankündigt, kann man nicht einfach eine alte Scheibe auflegen und weiß in etwa wie die neue klingt - Im Gegenteil, Devins Diskografie liest und hört sich streckenweise an wie ein abstraktes Mosaik, das im Gesamtbild zwar nicht unbedingt stimmig wirkt, dessen einzelne Bestandteile aber alleinstehend durchaus aussagekräftige Bilder darstellen.
Devin Townsend ist einer der wenigen Musiker, der nach einer großen Reihe an Projekten nicht in der Versenkung verschwunden ist. Angefangen als (Backup-)Vocals bei Steve Vai entwickelte er sich über seine Projektbands wie z. B. Strapping Young Lad, welches wahrscheinlich die bekannteste ist, stetig weiter. Mit über 20 Veröffentlichungen als Musiker hat er neben seinen Produzentenqualitäten, mehrfach unter Beweis gestellt, dass er sich von vielen Künstlern in einer Sache deutlich unterscheidet. Er ist alles andere als berechenbar...
Genug Wiki-Gequatsche, immerhin geht's hier um die Musik.
Mit "Transcendence" wurde ein durchaus gewagter bzw. anmutender Titel gewählt, der aber treffender fast nicht sein könnte. Beim Hören hat man sowohl ein Gefühl von etwas Neuem, als auch eine gewisse Vertrautheit mit Devins musikalischer Vergangenheit. Seines Zeichens ein Meister der Theatralik überzeugt er mit teils kolossalen und gleichermaßen atmosphärischen Werken. Die Instrumentalisierung und Devins rauer Gesang sind gleichermaßén charakteristisch wie die Gastauftritte von Anneke Van Giersbergen, Che Aimee Dorval & Katrina Natale, die bereits auf früheren Alben von Devin gesungen haben und dem Album mit diesem Kontrast noch mehr Tiefe und Textur verleihen.
Beginnend mit "Truth", einem Paradebeispiel für die Diversität des Albums. Hier findet man als Albumopener ein echtes Schwergewicht - heavy Grooves und Riffs treffen im Wechsel auf die zierlichen Stimmen der Gäste, bis letztendlich die Schwere und die Grazilität eine Einheit bilden.
In "Stormbending" findet man ebenfalls eine gewissen Schwere vor, welche durch Streicher einerseits verstärkt aber gleichermaßen auch erleichtert wird. Klarer Höhepunkt ist der zweite Chorus - Gänsehaut á la Townsend.
"Failure" ist entgegen des Titels alles andere als ein Misserfolg. Für mich einer der herausragendsten Songs auf der Platte, der in seinen knapp 6 Minuten ein vielschichtiges Feuerwerk aus schweren Riffs mit multidimensionalen Vocallines, einer großartigen Orchestrierung, perfekt passenden Drums und einer Lead Gitarre die dem ganzen ein Leuchten verschafft, als würde sie direkt aus dem Himmel erstrahlen.
"Secret Sciences" war die ersten Durchläufe eines der etwas "schwierigen" Lieder. Mit einer akustischen Gitarre und sphärischen Effekten wird der Song ca. 1 Minute eingeleitet und entfaltet sich von einem Schleicher über einen Groover zum Bombasten.
Bei "Higher" kommt man in den Genuss von Wahnsinn in Musikgestalt. Ein Titel bei dem sich, vor allem aber nicht nur, beim erstmaligen Hören die Frage nicht klären will, wo es als nächstes hingeht. Mehr will ich eigentlich gar nicht schreiben, denn selbst nach gefühlt 100 mal hören lernt man diesen Titel auf neue Arten kennen.
"Stars" hingegen mutet, wieder mit einer gewissen Schwere und sphärischen Parts etwas ruhiger und geordneter an. Das bedeutet aber keineswegs das er lahmt. Aber wenn ich ein Song auf einem Album wäre, würde ich definitiv nicht nach "Higher" abgespielt werden wollen. ; )
Es wäre kein Devin Townsend Album wenn es keine Dramaturgie in der Albumstruktur gäbe. Vielleicht liegt es an den Ziltoid Konzeptalben oder es ist purer Zufall, aber eine gewisse Struktur ist unschwer zu erkennen. Mit der zweiten Hälfte des Albums geht es nämlich allmählich ruhiger und geordneter weiter.
Der Titeltrack zum Album "Transcendence" wird seinem Namen mehr als gerecht. Ein Titel der musikalisch ein enormes Spektrum aufweist, welches sich im Verlauf immer mehr erweitert und in Sachen Dramaturgie mit seinem Climax ebenfalls einer der herausstechendsten Titel ist.
Als ich das erste mal "Offer Your Light" gehört habe, muss ich gestehen, habe ich als erstes an die KollegInnen von "Babymetal" gedacht. Das Synthesizer Intro erinnerte mich irgendwie an einen Titel an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Aber davon mal ganz abgesehen liefert der Song einen stark nach vorne treibenden Drive. Besondere Überraschungen erwarten einen jedoch nicht.
"From the Heart" ist definitiv eine der größten Überraschungen des Albums. Nicht nur das man davon ausgehen könnte, es sei eine Art Liebeslied...
Es ist ein Liebeslied... Ein Liebeslied von Devin Townsend... Unbestritten ein guter Titel und zurecht fand der auch seinen Platz auf dem Album...
Aber ein Liebeslied von Devin Townsend...? Und ich dachte ich habe fast alles im Leben gesehen.
Je später die Spielzeit, desto gelassener die Künstler. Der Höhepunkt dieser Gelassenheit ist zugleich der letzte Titel "Transdermal Celebration", der mit einem knapp viereinhalb minütigen sphärischem Outro den Wirbel der ersten Hälfte des Albums abschließend beruhigt - Autogenes Training mit Devin Townsend Project.
Insgesamt überzeugt das Album mit einem durchweg gelungenen Songwriting, welches sich in guter Gesellschaft mit einer hervorragenden Produktion und einer musikalischen Neugierde befindet.
Je öfter man das Album hört, desto mehr Feinheiten und Nuancen nimmt man war. Jeder Song hat seine ganz eigenen Details, seine ganz eigenen Einflüsse und stellt seine ganz eigene Stufe der Transzendenz dar. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch entsprechend schwierig einen "Hit" oder Lieblingssong herauszustellen - zumal das sowieso eine rein subjektive Geschichte ist.
Dennoch bin ich der Meinung, dass einige Titel besonders herausstechen und vor allem durch ihre Charakteristika und eine gewisse Ähnlichkeiten zu Alben wie Addicted! & Deconstruction bestechen - Failure, Higher, Offer Your Light, Transcendence.
Insbesondere durch erneutes Hören und Vergleiche mit den anderen Alben von DTP lässt sich schnell feststellen, dass die Songs auf Transcendence die klarsten Strukturen aufweisen, die je auf einer Veröffentlichung unter diesem Banner zu hören waren. Gleichermaßen können Songs wie "Failure", "Higher" "Offer Your Light" als Zeugnis früherer Schaffensphasen betrachtet werden, was unter anderem an der Präsenz von Anneke Van Giersbergen liegt, die mittlerweile knappe 7 Jahre mit Devin zusammen arbeitet.
So klingt vor allem "Offer Your Light" als würde es aus dem Songpool von Addicted! stammen oder "Higher" aus der Zeit von Deconstruction stammen - weitere Ähnlichkeiten mit anderen Alben sind ebenfalls erkennbar.
Ich muss sagen, dass es mir zwar deutlich aufgefallen ist, aber weder besonders positiv noch besonders negativ.
Verwechslungsgefahren mit einer Best-Of-Erscheinung sind meiner Meinung nach auszuschließen. ;)
Meiner Meinung nach ist Devin Townsend mit diesem Album ein weiterer Schritt in Richtung persönlicher musikalischer Transzendenz gelungen. Die stilistische Verbindung aus den verschiedenen Devin Townsend Project Alben findet hier ihren Höhepunkt - das Songwriting ist genial, die Produktion unglaublich ausgeklügelt aber dennoch auf den Punkt knackig, trotz der für Townsend typischen unzähligen verschiedenen Audiolayer.
Songwriting: 4/4
Sound: 4/4
Innovation: 2/2
Design: 2/2
GESAMT: 12/12
Tracklist
1. Truth
2. Stormbending
3. Failure
4. Secret Sciences
5. Higher
6. Stars
7. Transcendence
8. Offer Your Light
9. From The Heart
10. Transdermal Celebration (Cover)
Line-Up:
Devin Townsend: Vocals, Guitar, Keys, Programming
Ryan Van Poederooyen: Drums
Dave Young: Guitar, Keys
Brian 'Beav' Waddell: Bass
Mike St-Jean: Keyboards, Synths, Programming
Anneke Van Giersbergen: Vocals
Che Aimee Dorval: Vocals
Katrina Natale: Vocals
Niels Bye Neilsen: Orchestrations
Mattias Eklund: Ambience
http://www.facebook.com/dvntownsend
All pics via InsideOut Music
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