18.02.2017 - Kreator in der Columbiahalle, Berlin

Spätestens seit der Jahrtausendwende sind Kreator in beängstigender Konstanz zurück an der Spitze der thrashigen Subkultur. Immens hochklassige Alben sorgen auch in Zeiten da die Musikindustrie am Boden liegt für steigende Verkaufszahlen und in diesem Jahr sogar für die Pole Position in den deutschen Albumcharts. Außerdem sind die Essener für ihre mitreißenden Shows berüchtigt - Stichwort "Totale Zerstörung!!!" - durch die sich die Band in den vergangenen Jahren vom Columbia Club erst in den Postbahnhof, dann ins Huxley's und schließlich in diesem Jahr in die Columbiahalle hochgearbeitet hat. Traditionell gibt es dabei die Vollbedienung für die Fans, da eben auch die Support-Bands höchsten internationalen Ansprüchen genügen.



So wird die Gods Of Violence-Tour anno 2017 von Aborted eröffnet. Die Belgier müssen zwar schon um 18.00 Uhr auf die Bretter, können aber direkt mit relativ dickem Sound und einer stimmungsvollen Lightshow punkten. Die Jungs um Frontberserker Sven de Caluwe sind mit Abstand die musikalisch härteste Band auf der Tour und nicht alle Zuschauer werden mit dem Deathcore-Geballer der Truppe warm. Allerdings ist die Columbiahalle trotz der frühen Stunde bereits sehr gut gefüllt und Aborted können dank ihrer gnadenlos tighten Performance den Abend sicher als Erfolg verbuchen.



Auch die nachfolgenden Soilwork passen musikalisch nicht zu 100% zum Headliner. Vor ewigen Zeiten galten die Schweden ja dank starker Platten wie Natural Born Chaos oder Stabbing The Drama mal als das nächste ganz große Ding im Melo-Death, allerdings konnten sie nie mit dem Erfolg der zugegeben immer schwachbrüstiger werdenden In Flames mithalten. Dennoch ist die Band eine Hausnummer in der Szene und kann vor allem mit ultra-präzisem Zusammenspiel punkten. Chef im Ring ist natürlich Fronthüne Björn "Speed" Strid, der wieder einmal sämtliche Facetten des modernen Metal-Gesangs präsentiert. Ein weiterer großer Pluspunkt ist Live Drummer Bastian Thusgaard am Schlagzeug, der sich mit der Genauigkeit einer Atomuhr durch Songs wie "Nerve" oder "Two Lives Worth Of Reckoning" prügelt. Trotzdem will der letzte Funke nicht überspringen, was tatsächlich im modernen Sound der Helsingborger begründet sein dürfte.



Das Problem hat der Co-Headliner definitiv nicht! Sepultura sind genau die Band, die der Großteil der Fans braucht um sich für Kreator warm zu moshen. Das US-brasilianische Kollektiv hat vor wenigen Wochen mit Machine Messiah ein ziemlich gelungenes Album auf den Markt geworfen und will die Platte natürlich ausgiebig vorstellen. Bereits der Opener "I Am The Enemy" legt die Marschrichtung fest: Neue Songs und alte Hits halten sich perfekt die Wage, das Tempo ist hoch, der Groove drückt ins Gesicht! Dabei zeigt sich vor allem Derrick "der Neue" Green in hervorragender Form - sowohl stimmlich als auch muskulär. Obwohl Sepultura als einzige Bands des heutigen Abends mit nur einer Gitarre auskommen müssen, ist der Sound einfach nur amtlich. Kein Wunder, denn Riffmeister Andreas Kisser sägt in absoluter Topform und die Fans fressen ihm aus der Hand. Bei der Knüppelorgie "Arise" ist die von Mille so gern propagierte "totale Zerstörung" bereits zum Greifen nah. Heimlicher Gewinner des Abends ist aber das Ethno-Groove-Monster "Ratamahatta", bei dem vor der Bühne der blanke Körpergulasch ausbricht!



Inzwischen ist die Bude gerammelt voll und nach einer angenehm kurzen Umbaupause schlurfen Kreator zu den Klängen des Uralt-Intros "Choir of the Damned" auf die Bühne um sogleich mit "Hordes Of Chaos" in ein wahrlich episches Konzert zu starten. Die Altenessener reihen Hit an Hit ("Phobia", "Enemy Of God", "Extreme Aggression" und eine Vielzahl mehr) und streuen dabei geschickt die Songs des erstklassigen Gods Of Violence mit ein. Erwartungsgemäß sind die Fans auch bei den erst Ende Januar veröffentlichten Songs extrem textsicher und so ist bei den neuen Brechern wie "Satan Is Real" oder "World War Now" so gut wie kein Stimmungsabfall zu verzeichnen. Natürlich läuft nach den vielen absolvierten Shows der Tour auch die Maschinerie auf Hochtouren: Sound, Licht, Performance - alles vom feinsten! Insbesondere Gitarrist Sami Yli-Sirniö steht mit hochmelodischen Leads und abgefahrenen Soli mehr und mehr im Mittelpunkt, auch wenn Kampfzwerg Mille Petrozza nach wie vor der unangefochtene Fixpunkt der Show ist. Der Bandgründer zieht zwar am heutigen Abend gegen seine Sängerkollegen (alle um die zwei Meter groß plus Oberarme in Oberschenkeldimensionen) den Kürzeren in Sachen Biomasse, sein wutschnaubendes Gekeife bleibt aber für alle Zeiten unnachahmlich! Außerdem spart sich Mille heute seine in der Vergangenheit manchmal etwas ausufernden Motivationsseminare und lässt lieber die Mucke sprechen. Und die ist über jeden Zweifel erhaben - das Finale furioso mit "Violent Revolution", "Flag Of Hate", die Überraschung "Under The Guillotine" und natürlich (Originalzitat Mille: ) "Pleasuretokill" reißt die Hütte komplett ab!



Fassen wir zusammen: Sepultura haben den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt und Kreator hauen die Kugel samt Torwart in die Maschen. 7:1 für den Thrash Metal und eine verdammt hohe Messlatte für Live-Shows 2017!



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    Kommentare 1

    • Haha Körpergulasch Das 7:1 werden die Brasilianer nicht mehr los, angeblich ist das sogar schon in deren Sprachgebrauch eingegangen :D