Live Evil Berlin — Der Festivalbericht




Donnerstag, 25. Mai

Bevor es richtig losgeht, wird sich am Donnerstag im Urban Spree aufgewärmt, pünktlich zum festivaltauglichen Wetter. Am Start sind drei Bands.

Als Opener spielen Sarturnine aus Italien, eine Doomband, die nur aus Frauen besteht. Die schwere, getragene Musik passt zwar nicht so ganz in das energiegeladene Line-Up des LIVE EVIL-Festivals. Die schnelleren Parts drücken aber ordentlich und vor allem die Stimme von Sängerin Katrien ist beeindruckend tief und kräftig.


Die zweite Band ist dann direkt etwas flotter unterwegs. Es handelt sich um Barrow Wright aus Kanada. Offenbar besteht die Band aus fanatischen Herr-der-Ringe- und Thrash-Metal-Fans: Die Mucke ballert gnadenlos, inhaltlich geht es aber nach Mittelerde. Die Band behauptet auch selber, dass sie aus Mordor in Kanada stammen. Als Kombination definitiv eine Seltenheit!

Die letzte Band ist zugleich auch die regionalste von allen: Division Speed aus Leipzig. Die Jungs brettern mit wirklich dreckigem, schnellem Thrash Metal von der Bühne, sind gleichzeitig aber dezent dunkel geschminkt – eine gute Kombination! Es ist auf jeden Fall die Band des Abends mit der härtesten Ausrichtung und dem größten Moshpit. Das erklärt auch, weshalb die Band mit dem kürzesten Anfahrtsweg am Ende spielt. Bei Doom Metal verheddern sich Metaller eben doch nicht ganz so gerne ihre Haare. Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, als auf einmal alles vorbei ist. Es ist eigentlich schade, dass danach Schluss ist, denn viele Besucher hätten gern noch weitergefeiert.

Das Warm-Up war ein voller Erfolg!




Division Speed @ Live Evil © Maraike Hofer


Freitag, 26. Mai

Am ersten vollständigen Festivaltag des Live Evil ist es knüppelvoll im Cassiopeia, sodass zum Teil kein Reinkommen in die Räume möglich ist. Was bei der Premiere im letzten Jahr schon ein Manko war, wurde dieses Jahr nicht besser. Dennoch haben sich die wenigen Bands, die der Metal Guardian zu Gesicht bekam, gelohnt!

Black Magic gehören eher zu den heavy-metallischeren Bands des Line-Ups: Klarer Gesang und melodische Gitarren sind hier am Start – für norwegische Bands eher ungewöhnlich!


Kracher des Tages sind aber die ebenfalls aus Norwegen stammenden Nekromantheon. Richtig krachiger Thrash Metal mit Power, Technik und Geschwindigkeit hinter den Ohren. Es ist eine Affenhitze in dem Raum und sauvoll, aber dennoch darf die Band nicht aufhören, weil sie so geil ist. Ein starker Headliner, der den ersten Tag des Festivals mit wunderbarem Ohrenrauschen abschließt.

Samstag, 27. Mai

Der finale Tag beginnt mit einem Clash der Kulturen: Bedingt durch das an diesem Abend stattfindende DFB-Pokal-Finale geistern Zehntausende Fußballfans orientierungslos über die Berliner S-Bahn-Gleise und verzögern den Zugverkehr derart, dass das Metal Guardian-Team den Opener des Tages verpasst. Doppelt ärgerlich, da (Dolch) laut Augenzeugen eine unkonventionelle Black-Metal-Show abgerissen haben, die mit verschiedenen Noise- und Ambient-Anleihen punkten konnte.

Die anschließenden Cauldron setzen dagegen auf pure Tradition und eröffnen die kleinere der beiden Bühnen mit solide geschmiedetem Edelstahl. Die Fans fressen der Band direkt aus der Hand, denn die Kanadier verknüpfen geschickt getragenen Heavy Metal („No Return / In Ruin“) mit rumpelnden Speed-Anleihen („Nitebreaker“) – ein Mix, wie geschaffen für das Live Evil! Schwermeister Ian Chains begeistert zusätzlich mit erstklassigen Soloeinlagen, für die es berechtigterweise Szeneapplaus gibt.


Auf der großen Bühne stehen derweil schon Obliteration in den Startlöchern. Die Norweger knüppeln sich mit ihrem angeschwärzten Death Metal in einen wahren Rausch und versprühen dabei eine wundervoll finstere Fuck-Off-Attitüde. Vor allem Frontmann Sindre Solem überzeugt mit unnachahmlich herausgespuckten Vocals, die den punkigen Charakter der Band eindrucksvoll unterstreichen. Wie bei eigentlich allen Bands des Festivals ist es rammelvoll vor der Bühne und der Pit brodelt beständig. Beste Voraussetzungen also für die Norweger, die den Fans bereits zur frühen Stunde mit Songs wie „Exterminate“ und „The Spawn of a Dying Kind“ alles abverlangen.


Zeit zum Verschnaufen gibt es aber lange nicht! Auf der kleinen Bühne schicken sich Ranger aus Finnland an, die letzten Reserven des Publikums zu mobilisieren. Als erste Band des Festivaltages zollen die Speedster der Bullenhitze Tribut und verzichten kurzerhand auf Oberkörperbekleidung – bei wahnwitzigen Hochgeschwindigkeitsgranaten wie „Satanic Panic“ oder „Speed & Violence“ auch unnötig! Sänger Dimi Pontiac brilliert dabei mit tinnitus-erzeugenden Kopfstimmen-Schreiattacken, die ganz hervorragend mit dem hummelschwarm-artigen Geballer der Band harmonieren. Ganz klar die Neuentdeckung des diesjährigen Live Evil!




Ranger @ Live Evil © Maraike Hofer


Zurück auf der großen Bühne kommt es dann zum Bruch: Solstice aus dem Vereinigten Königreich drehen die Temposchraube deutlich nach unten. Die ausladende Langsamkeit des Epic-Doom-Quintetts wird schon beim Start deutlich, der durch das Fehlen von Gitarrist Rich Walker derbe versemmelt wird. Das Gründungsmitglied kommt schließlich während des ersten Songs auf die Bühne geschlurft, die Luft ist dadurch aber erst einmal raus. Die eigenwilligen Gesangslinien von Schwarzlöckchen Paul Kearns sind auch nicht unbedingt dazu geeignet, das Publikum wieder auf die Seite der Band zu ziehen. Trotz wuchtiger Doom-Elegien wie „Death’s Crown Is Victory“ ist die Show deshalb eher eine Enttäuschung und eines Co-Headliners nicht würdig.


Dem vollgestopften Venue sei Dank benötigen Possession im Anschluss handgestoppte 3,7 Sekunden, um die Menge wieder auf Betriebstemperatur zu bringen. Die Belgier haben in diesem Jahr ihr Debütalbum Exorkizein vorgelegt und können auch auf der Bühne mit einer überaus blutigen Mischung aus Black, Thrash und Death Metal überzeugen. „In Vain“ oder „Take The Oath“ bringen die Fans ohne Umschweife zum Ausrasten, wobei besonders Sänger V. Viriakh mit Watain-ähnlichen Shouts punkten kann. Unglücklicherweise zerschrotet Gitarrist I. Dveikus nach etwa zwei Dritteln des Sets seine Axt, was eine längere Reparaturpause nach sich zieht. Dennoch war der Gig für die Belgier ein voller Erfolg und eine perfekte Vorbereitung auf den Headliner!


Der lässt aber erstmal auf sich warten – immerhin sind die drei Recken von Aura Noir waschechte Black-Metal-Stars! Mit zwanzig Minuten Verspätung stapfen Aggressor, Apollyon (ex-Immortal) und Blasphemer (ex-Mayhem) dann endlich auf die Bühne und brennen ein gnadenloses Feuerwerk ab. Das Positionskarussell hat sich wieder einmal gedreht, inzwischen treibt Apollyon die Band hinter dem Drumset nach vorne, während Aggressor nach seinem Unfall 2005 wieder soweit genesen ist, dass er mit dem Bass in der Hand den Hauptgesang übernimmt. Das alles scheint die Band aber nicht im Geringsten zu irritieren, denn Aura Noir knüppeln ihren ultraräudigen Motörhead-Black Metal dermaßen tight und mit Sahne-Sound ins Publikum, dass sämtliche Unkereien im Vorfeld einfach nur weggeblasen werden. Dabei können sich die Norweger auf ihre Hits verlassen: „Swarm Of Vultures“ oder „Conqueror“ sind granatenstarke Songs, die den Fans Freudentränen in die Augen treiben. Sechzig Minuten dauert die Show, die schließlich mit dem Evergreen „Black Thrash Attack“ beschlossen wird. Ein absoluter Volltreffer und ein perfekter Abschluss für das diesjährige Live Evil!


So bleibt am Ende einfach ein fantastisches Festival. Die Bandauswahl zeugt wirklich von extrem gutem Geschmack der Veranstalter, während die Musiker selber bei größtenteils sehr guten Sound- und Lichtverhältnissen zu überzeugen wussten. Randnotizen wie das Abweisen eines Besuchers mit NSBM-Patches auf der Kutte sollen an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich lobend hervorgehoben werden. Ein einziger Wunsch vor allem seitens der etwas kleiner gewachsenen und weniger durchsetzungsstarken Besucher: Eine größere Location wäre schön für die dritte Ausgabe des Live Evil im kommenden Jahr.



liveevilberlin.de



mh+ko

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