popper-fotografie — Jetzt rückt der Fan ins Rampenlicht




Hallo Peter, bevor du mit „popper-fotografie“ und damit verbunden deiner Serie „Gesichter einer Szene” angefangen hast, warst du selbst circa 20 Jahre in der Metal Band Scram. Erfolgt nun die Betrachtung von der anderen Seite der Bühne? Wie kam der Wunsch zu dieser anderen Sichtweise?

Ich glaube, ich bin so seit 1996 bei Scram gewesen, bis dann 2016 die Band zu Grabe getragen wurde. Seitdem widme ich meinem zweitliebstem Hobby neben der Musik, der Fotografie, die volle Aufmerksamkeit. Die eigentliche Idee zu Gesichter einer Szene entstand aus einer Bierlaune zusammen mit einem befreundeten Fotografen. Wir sagten uns, man müsse einfach mal so Porträts von den Leuten der Szene mache ‒ Was tun sie, wer sind sie? Das schlummerte aber eine Weile mehr so vor sich hin, bis ich dann an dem Punkt angelangt bin zu sagen, so will ich das gern machen.

Für mich war da schon der Anspruch der Szene etwas zurückzugeben, was man über die Jahre auf der Bühne von den Fans empfangen hat. Immerhin wird einem von diesen Leuten eines ihrer kostbarsten Güter geben, nämlich ihre Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit bedeutet Zeit, und die haben die meisten heutzutage nur noch wenig. Von daher bin ich da sehr dankbar über jeden, der sich zwei, drei Minuten meine Fotos anschaut oder aber eben früher zum Beispiel unsere Konzerte besucht hat.


Du hast für die Serie deinen ganz eigenen Stil festgelegt. Dieser zeigt klare Kante und stellt die Person mehr als deutlich in den Mittelpunkt. Warum hast du dich für die teilweise tiefschwarzen Darstellungen entschieden?

Das ist richtig und relativ einfach zu erklären. Die Serie entsteht ja nicht in einem Studio, sprich die Location ist immer eine andere. Ob innerhalb der jeweils eigenen vier Wände oder in abgeranzten Gebäuden, in Proberäumen, in Konzerthallen oder sonstiges. Es sind junge und alte Leute zu sehen, Männer und Frauen. Das bedeutet, dass um die eigentliche Person viel Dinge sind, die vom eigentlich Porträt ablenken könnten. Zum einen wären das Farben und zum anderen Gegenstände. Mal ganz davon abgesehen, dass der Durchschnittsmetaller eh eher den schwarzen Klamotten zugetan ist und es damit schon mal thematisch wunderbar passt, knipst man mit der Schwarz/Weiß-Fotografie schon mal einen Störfaktor aus. Die Beleuchtung nur auf die Person und einzelne bewusste Spots zu setzen und den Rest des Bildes in vielem Schwarz zu ertränken, hilft dann das Drumherum auszublenden. Mit diesem gestalterischen Effekt richte ich das Betrachterauge genau dahin, wo ich es haben möchte. Nämlich auf den Fan, um den es ja gehen soll.

Siehst du in deinem Schaffen Parallelen zu ähnlichen Szene-Projekten, wie zum Beispiel „Scene Made“ von Danny Helm?

Nein, eigentlich nicht. Direkte Parallelen kann man nicht ziehen, da es in Dannys Buch ja schon eher um bekanntere Persönlichkeiten und deren Geschichten geht, welche ausführlich interviewt wurden. Bei mir geht es in erster Linie ganz klar um das Fotografieren und Zeigen. Es sind ja auch keine Schnappschüsse, sondern richtige Inszenierungen, auch wenn es nicht immer danach aussehen soll.

Die dazugehörigen Blogeinträge sind mir schon wichtig, da sie meist noch tolle Geschichten erzählen, welche das Bild noch mehr aufleben lassen, haben aber einen anderen Ansatz.

Effektiv kann sich schließlich auch jeder bei mir melden, um selbst Teil der Serie zu werden. Ich wüsste kaum einen Grund, warum ich jemanden nicht fotografieren würde. Das Einzige, was wenn dann eher dazwischen steht, ist die Entfernung. Zum Beispiel haben sich auch schon Leute aus Bayern gemeldet, wo ich dann leider sagen muss, „Klar, gerne. Wenn du mal in meiner Gegend bist oder ich in deiner.“



Wie läuft so ein Porträt eigentlich ab, wenn man sich mal auf ein Treffen geeinigt hat? Schwierig stelle ich mir meist die Locationwahl vor.

Derjenige kann immer sehr gerne sagen, wo er sich fotografiert haben möchte. Das war grob überschlagen bei gut der Hälfte auch so gewesen. Das ist mir einerseits ganz recht, andererseits ist es für mich deswegen nicht zwingend einfacher. Manche stellen sich bestimmte Situationen vor, die schwer in Szene zu setzen sind. Mal ist es der Platz, der nicht reicht, mal geht aber auch einfach nur ein Blitz kaputt.

Wenn noch nicht klar ist, wo, dann fällt mir hoffentlich vor Ort was ein. Bei mir nicht bekannten Städten oder so ist das natürlich schwierig. Da versucht man dann vorher abzuklären, dass direktes Sonnenlicht nicht so ideal wäre, aber ansonsten fast alles möglich ist. Zum Beispiel bei der No. 23, dem Gitarristen Tobi. Er wohnt in Ost-Berlin in einem Plattenbau, wo anfangs keine Möglichkeiten zu sehen war. Dann kam die Idee auf, wie es denn unten in seinem Keller wäre. Die einzelnen Keller waren mit Alublechen abgetrennt, welche wunderbar das Licht reflektierten und schon war das Bild geboren.

Inzwischen meine ich meine Auge so geschult zu haben, dass immer irgendwas hinkriege. Zum Beispiel kann es sein, dass mir auch auf der Hinfahrt irgendein Gelände oder Gebäude auffällt, was man dann nutzen könnte.



Was waren bis jetzt deine persönlichen Highlights der Serie?

Oh, da gab es soviel in dieser gesamten Zeit, da ist es schwer, wirklich „die“ Favoriten herauszupicken. Zum Beispiel fand ich die bis dato älteste Teilnehmerin mit 63, Angelika, Malerin aus Cottbus richtig cool. Ich hatte sie im Gladhouse beim Testament-Konzert kennengelernt und hab sie dann für das Porträt zu Hause besucht. Dann geht die Tür auf und sie begrüßt mich mit einem Death-Angel-Shirt.

Dann auf jeden Fall das Shooting an der Ostsee mit meiner Frau. Alleine der technische Aufwand, den wir da betrieben haben, um das Licht richtig zu setzen. Was wir völlig unterschätzen hatten war, wie weit wir dabei ins Wasser rein mussten, um den von mir gewünschten Look zu erhalten. Das war schon lustig, weil mein Sohn, der mich beim Licht unterstützt hat, und ich eigentlich dachten, wir stehen schön am Strand oder maximal bis zu den Knien im Wasser und knipsen nur. Aber nee, denkste. Bis auf meine Frau hatten wir keine Wechselklamotten dabei und waren im Anschluss mal eben bis auf die Unterhosen durchnässt.

Eigentlich ist jedes Shooting für sich ein Highlight, da es immer irgendwo diesen einen Punkt gibt, der es zu etwas Besonderem macht. Alleine die Abwechslung ist beeindruckend. Ein Drittel der Leute kannte ich beispielsweise bis vor dem Foto gar nicht, sodass es einfach aufregend war, die Personen einfach nur kennenzulernen und an Orte zu kommen, wo man eventuell vorher auch noch nicht gewesen ist.



Wen möchtest du noch in deiner „Sammlung“ haben? Wer fehlt unbedingt?

Paul Speckmann muss ich unbedingt noch vor die Kamera kriegen. Der Mann ist so ein Urgestein in unserer Szene und dennoch oder auch gerade deswegen so im „Untergrund“ verwurzelt, dass es langsam Zeit wird. Ich denke, ein Termin lässt sich da auch schnell finden, da er ja mit Master öfter in unseren Gefilden spielt. Und wenn es sein muss, mach ich es eben kurz vor dem Auftritt, rausche da Backstage rein, bau mein Zeug auf und bin in spätestens 20 Minuten wieder raus. Auch wenn vielleicht 45 Minuten besser wären, soll so was nicht das Problem sein ‒ das krieg ich hin.




Gesichter einer Szene © Antje Knepper - Lens Of Sense Photography



Die Idee eines Buches liegt ja sehr nahe und du selbst hast die Überlegungen auch schon öffentlich gemacht. Was können wir dahingehend erwarten? Vielleicht eine mehrteilige Buchserie: 1. Teil Fans, 2. Teil bekanntere Persönlichkeiten zum Beispiel?

Aktuell soll das erst mal ein persönliches Ding werden. Ich will das einfach mal in in der Hand halten und sagen: „Ja, das ist mein Werk“. Inwieweit es überhaupt öffentlich erscheint, hängt von der Resonanz ab. Klar ist, das muss dann über so was wie Crowdfunding laufen. Hier stelle ich mir die Frage, sollte ich da schon scheitern, wie mache ich mit der Buchidee dann weiter? Eine Bücherserie wäre natürlich etwas Tolles, aber ob mein Enthusiasmus nach einer eventuellen Niederlage noch ausreichen würde, das so voranzutreiben, weiß ich jetzt noch nicht.

Klar, steht jeder hinter seinem eigenen Projekt und ich finde ja selbst geil, was ich mache, aber so was kann sich vielleicht ganz schnell ändern, wenn das nicht klappt.

Von daher sind meiner Meinung nach Gedankenspiele, ob man dann sogar das Projekt in mehreren Serie angehen möchte, viel zu früh. Sollte aber unerwartet morgen auf einmal 20 Anfragen von, nennen wir es mal, „Szenegrößen“ bei mir eintrudeln, bin ich selbstverständlich der letzte, der da Nein sagt, um daraus dann einen möglichen Bildband zu machen.

Ich selbst setze mir da schon einen ziemlich hohen Anspruch. Da gebe ich auch offen zu, dass ich irgendwie schon „berühmt“ werden will. Reich nicht, aber eben berühmt. (lacht)



Crowdfunding ist sicher immer eine tolle Sache, da es eine Art direkte Nähe zum künftigen Leser integriert. Dennoch meine ich, dass leider auch nur eine begrenzte Reichweite damit möglich ist. Eventuell wäre sogar ein Verlag das richtige?

Darüber nachgedacht hab ich da schon, allerdings nie weiter verfolgt. Als ich mal einen Gastbeitrag für den doch hoch frequentierten kwerfeldein-Fotoblog verfasst hab, gab es da schon einiges an konstruktiv-kritischen Kommentaren, die mich zum Teil davor zurückschrecken lassen, ob man damit wirklich eine vernünftige Reichweite erzielen kann, um das nicht gegen die Wand zu fahren. Und am Ende ist das bei einem Buch wie bei einem Album. Eigentlich musst du schon mit dem fertigen Produkt bei den Leuten ankommen, die das dann rausbringen. Das heißt, man muss vorher schon viel Arbeit und Geld reinstecken. Ich denke, ich werde vorerst schauen, wie sich das Ganze weiterentwickelt.



Ich möchte nochmal auf den Szenesupport zurückkommen. Allerdings mit einer eher allgemeinen Frage:

popper-fotografie“ war ja der Auslöser für die Stahlwerk-Radio-Petition, Fans der Frostfeuernächte rufen zu einer Sammelaktion für das auf der Kippe stehende Festival auf, ein Zusammenschluss von Künstlern und Unterstützern versucht auf mehreren Wegen das Berliner Rockhaus vor der Schließung zu retten, um nur drei aktuelle Beispiele zu nennen.

In solchen Momenten werde ich das Gefühl nicht los, dass die Szene wieder neu auflebt beziehungsweise, sich selbst wieder aufbaut? Wie siehst du das?

Im Endeffekt hat die Serie wenig damit zu tun, dass ich Jakob fotografiert habe. Die Petition war mir ein persönliches Anliegen.

Aber ich sehe auch, dass die aktuelle Szene definitiv nicht auseinanderdriftet, im Gegenteil. Woran liegt das? Schwer zu sagen, vielleicht ist es so, dass den Leuten heutzutage die Szene wirklich wieder wichtig geworden ist. Einige sehen sicher, dass da noch mehr ist, als die Musik selbst, wobei die natürlich das entscheidende Bindeglied ist. Eventuell ist es ein gewachsenes Selbstbewusstsein.

Das Tolle ist, dass sich der Support aus allen Altersschichten zusammensetzt. Die „Alten“ stehen mit ihrer Erfahrung und dem guten Rat den „Jungen“ mit ihrem frischen Wind zur Seite.



Mit diesen weisen Worten können wir dem Ende des Interviews entgegenschauen. Möchtest du der Welt da draußen noch etwas mitteilen?

Hm, vielleicht möchte ich mal etwas zum Verhältnis der Kreativen in der Szene zu den Fans sagen dürfen. Einigen ist vielleicht nicht bewusst, wie viel Herzblut, Schweiß, Zeit und finanzielle Mittel in die Projekte der Musiker, Zeichner, Schreiber, Fotografen, Produzenten, Veranstalter, etc. fließen. Diesen Eindruck bekomme ich manchmal, wenn ich mitbekomme, was auf der „anderen Seite“ erwartet wird – um nicht zu sagen, gejammert (lacht).

Und damit meine ich explizit nicht mein Projekt!

Lehnt euch mal zurück, wenn ihr wieder eine neue Scheibe von Band XYZ auflegt und versucht euch vorzustellen, was die Künstler dafür getan haben, besonders dann, wenn man mit dem Ergebnis auf den ersten Kontakt nicht so glücklich ist.



Und das sagen die Porträtierten zu „Gesichter einer Szene“:


Maik:

Das Ganze ist eine richtig coole Sache. Die Shootings laufen unglaublich entspannt ab. Man merkt, dass das Projekt ihm ein persönliches Anliegen ist und nicht irgendeine 08/15-Kolumne einer Regionalzeitung oder so.

Auch ist es spannend zu entdecken, was die Leute so machen, die man vielleicht schon auf den diversen Konzerten getroffen hat, oder aber zum Beispiel welche musikalischen Leichen Bekannte so im Keller versteckt haben.


Hendrik:

In Gesichter einer Szene sehe ich ein Zeitzeugnis „vermeintlicher“ Randfiguren. Wo Fotos mit Fans beziehungsweise Konzertbesuchern oft den Stempel „Impressionen“ oder „die Crowd“ kriegen, setzt Pedda die Impressionen dahinter ins Rampenlicht. Dabei gibt er sich bei den Bildern viel Mühe und bringt genügend Ausdauer und Ruhe mit.

Er holt Musiker von der „großen“ Bühne herunter und bittet Nichtmusiker auf seine Bühne herauf. Und eben da, wo sich beide auf ihrem Weg treffen ‒ beim Metal ‒ da entsteht unverstellt, einfach und real, Gesichter einer Szene ‒ Scheißegal, wer und was du bist!


Steven:

Das Projekt fand ich vom ersten Augenblick spannend und interessant. Warum?

In diesem Fotoprojekt geht es darum die unterschiedlichsten Menschen in der Metal-Szene fotografisch und mit einem kleinen, individuellen Steckbrief darzustellen. Die Person hinter dem Projekt (Peter Seipke ‒ popper-fotografie) ist seit vielen Jahren selbst ein Teil dieser Szene: Fan, Musiker und Fotograf in einer Person. Dies sind die besten Grundlagen, um die unterschiedlichsten Gesichter dieser Szene ins rechte Licht zu setzen.

Aufgrund seiner vielen persönlichen Erlebnisse findet er schnell Zugang zu den Protagonisten und baut eine gemeinsame Ebene auf, die manche Gemeinsamkeiten aber auch sehr unterschiedliche Wege aufzeigt. Das Fotoshooting erfolgt sehr professionell und Peter nutzt sehr gut ausgewählt die unterschiedlichsten Plätze (privat und öffentlich) dafür. Als Endprodukt steht eine sehr individuell erzählte Geschichte eines Menschen, der Musik im Allgemeinen und Metal im Speziellen als Teil seines Lebens gefunden, gelebt, mit Gleichgesinnten geteilt hat und dies sicher noch für viele weitere Jahre tun wird.

Meine Empfehlung an alle Gesichter dieser Szene: Meldet euch bei Peter und lasst ihn eure Geschichte für andere in Wort und sehr guten Bildern erzählen!



Alle „Gesichter einer Szene“ findet ihr unter:
popper-fotografie.de

ds

    Kommentare