Die Plattform Ostmetal.de tritt dem entgegen. Wir haben uns mit dem Macher Hendrik Rosenberg über die „alte“ Zeit unterhalten.
MG: Wie kam es zu der Idee, eine Plattform für eine „vergangene“ Musikepoche zu gründen?
Hendrik: Also am Anfang habe ich im Internet nur nach Informationen über einen wesentlichen Bestandteil der musikalischen Vorlieben meiner Jugend gesucht, aber da über Metal-Bands aus der DDR nur ein paar spärliche Informationen auf diversen Ostrock-Seiten zu finden waren und ich Erfahrung mit Homepage-Design hatte, entschloß ich mich schließlich Anfang 2003, solche eine Webseite ins Netz zu stellen.
Bei meinem letzten Umzug im Frühjahr 2002 hatte ich einen Karton mit Fanpost-Briefen und Zeitungsartikeln von damals wiedergefunden, der die Basis für die Ostmetal-Homepage bildete. Es fing also klein an und ist im Laufe der Zeit dann Stück für Stück gewachsen.
MG: Welche Juwelen kannst du dahingehend präsentieren?
H: Auf der Ostmetal-Homepage findet man mittlerweile fast alle Bands, die sich zu DDR-Zeiten in Ostdeutschland gegründet hatten. Meine Lieblingsbands waren damals Formel 1, Plattform und Biest. Nach und nach habe ich neben den Bandvorstellungen dann auch Zeitungsartikel und Cover-Bilder ausgestellt und eine Tauschbörse für Musik im alten Tapetrading-Stil eingeführt. So habe ich mein Archiv an Tondokumenten ergänzen können.
MG: Wie fallen die Reaktionen der meist in Vergessenheit geratenen Bands aus?
H: Die Musiker haben sich zum größten Teil von sich aus bei mir gemeldet, weil sie wohl ähnlich wie ich damals im Internet Informationen über ihre Band gesucht haben. Die Leute haben sich sehr gefreut, daß es nun jemanden gibt, der die Erinnerung an ihre musikalische Laufbahn wach hält und mir viele Informationen und Fotos zukommen lassen, mit denen ich meine Homepage ergänzen konnte. Deswegen habe ich ja auch so eine lange Dankesliste, auf der auch die unzähligen Fans aufgelistet sind, die mir ebenfalls sehr weitergeholfen haben, meine Homepage zu dem zu machen, was sie heute ist.
MG: Ich denke, man kann nicht gerade in metal-archives.com stöbern, wenn man ehemalige Bands aus der DDR sucht. Wie schwer gestaltet sich die Suche nach den verborgenen Schätzen?
H: Wenn man die Musiker mit Namen kennt, kann man sie teilweise im Internet finden und dann anschreiben. Aber das war nur ein kleiner Bruchteil, denn die meisten Musiker habe nicht ich gefunden, sondern sie haben mich gefunden. Diese haben mich dann oftmals an ihre Kollegen weiterempfohlen und manche Kontakte wurden mir auch von Fans vermittelt.
MG: Homepage, Forum, Fanzine und ein Label auf dem Raritäten teilweise wieder veröffentlicht werden. An Arbeit mangelt es dir wahrlich nicht. Ende Februar ist nun das Eisenblatt Nr. 5 erschienen. Was kannst du uns über den Inhalt verraten?
H: In der neuen Ausgabe sind diesmal „nur“ Interviews mit Musikern von Blitzz, Deathtrap, Disaster K.F.W., MCB, Powerage u.a. zu finden, aber in vorherigen Ausgaben hatten wir auch Beiträge wie „Das ABC des Ostmetals“ oder „Der schwarze Kanal – Ostmetal-Fans berichten von der Front“ und werden in späteren Ausgaben sicher die eine oder andere Rubrik fortsetzen und weitere Artikel veröffentlichen, die den Hintergrund beleuchten.
MG: Und natürlich das Wichtigste: Wie kommt man an dein schwergewichtiges Blatt?
H: Entweder schreibt man eine Mail an eisenblatt@ostmetal.de oder schickt einen Brief an Hendrik Rosenberg, Gleißnerplatz 4 in 90471 Nürnberg. Bei mir können interessierte Leute alle noch verfügbaren Ausgaben des „Eisenblattes“ für jeweils 2,50 Euro (incl. 1,50 Porto) bestellen. Dank Eures Magazines spiele ich jetzt auch mit dem Gedanken, die nicht mehr erhältlichen Ausgaben als kostenlosen PDF-Download anzubieten. Da habt Ihr eine richtig gute Idee gehabt! (Anmerk. d. Red.: inzwischen wurde dieses Vorhaben von Hendrik umgesetzt)
MG: Was ist deine persönliche Lieblingsstory aus allen bisher erschienenen Eisenblättern?
H: Da kann ich Dir jetzt aus dem Stegreif gar keine spezielle nennen, denn die meisten Geschichten haben ihren ganz eigenen Charme. Immer wenn die Musiker Anekdoten aus der damaligen Zeit erzählen, wird es für mich besonders interessant.
MG: Darf man denn schon ein wenig in die Zukunft sehen? Was kommt im Heft Nr. 6 auf den Leser zu?
H: Das ist noch ein bisschen zu früh, denn die Interviews sind erst in der Planungsphase und wir reden auch ungern vorab darüber, denn wir möchten den Leuten schließlich die Überraschung nicht verderben. Aber im Ernst: Wir wissen es wirklich noch nicht und manchmal müssen wir auch Beiträge verschieben oder kurzfristig etwas anderes finden, denn bis etwa vier Wochen vor Redaktionsschluß steht eigentlich nur fest, daß das Heft mit einer möglichst guten Mischung an Beiträgen über die Achtziger Jahre und über ostdeutsche Bands der Jetzt-Zeit erscheint.
MG: Kommen wir zum anderen großen Projekt von Ostmetal.de – dem Label „German Democratic Recordings“. Erzähl uns doch mal ein wenig darüber?
H: Das war ähnlich wie beim „Eisenblatt“, denn weil sich niemand darum gekümmert hat, haben wir es eben selber in die Hand genommen. Ich gründete das Label im Sommer 2006, nachdem niemand gewillt war, Ostmetal-Raritäten zu veröffentlichen, die ich selber gerne in meiner Sammlung gehabt hätte. An Anfang mußte ich dafür etwas Geld investieren, aber mittlerweile finanziert der Verkauf der vorherigen CD die nächste Veröffentlichung. Das geht zwar nicht gerade schnell, aber wir machen das Ganze ja schließlich „von Fans für Fans“.
MG: Wie kommt ihr an die alten Aufnahmen?
H: Am Anfang stehen die Kassetten-Mitschnitte, für die viele Fans zu DDR-Zeiten stundenlang vor den Radiogeräten saßen und die uns diese freundlicherweise zur Verfügung stellten. Aber den größten Teil steuern die Ostmetal-Musiker selber bei, denn diese freuen sich ja auch, wenn ihr musikalisches Schaffen von damals nach all den Jahren noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
MG: Was habt ihr inzwischen auf den Markt bringen können?
H: Für die erste Veröffentlichung konnten wir die Erfurter Metaller von Macbeth gewinnen, deren Demos wir auf der mittlerweile fast ausverkauften CD „Zeit der Zeiten (1985-1989)“ veröffentlicht haben. Mit der ersten fertigen CD konnten wir dann später andere Musiker zu einer Zusammenarbeit überreden und haben mittlerweile noch die Werke der Pirnaer Band Titan (die Band von Saxorior-Kopf Kai-Uwe Schneider) und der zu DDR-Zeiten sehr bekannten Cottbusser Band Plattform auf einem Silberling verewigen können.
MG: Und auch hier ein Blick in die Glaskugel? Was kommt noch? / Was ist noch geplant?
H: Wir haben das Geld für die nächste Veröffentlichung schon seit geraumer Zeit zusammen, aber bei den zuerst geplanten Bands Blitzz (die unveröffentlichte LP von 1989 mit vielen Bonus-Tracks der Erfurter) und Panther (die beiden Demos der Hallenser plus Bonus) fehlen uns noch ein paar essentielle Songs in brauchbarer Qualität, ohne die eine Veröffentlichung keinen Sinn macht. Aber wir haben ja noch andere, eher als Untergrund-Perlen zu bezeichnende Bands in der Warteschlange und würden in naher Zukunft auch gerne CDs mit weiteren großen Namen wie MCB oder Biest veröffentlichen, aber dafür haben wir leider auch nicht genügend Material. Deswegen würde ich an dieser Stelle gerne Eure Leser dazu aufrufen, uns alle Tondokumente (Tonbänder oder Kassetten mit Radio-Mitschnitten und dgl.) aus der damaligen Zeit anzubieten, die nach all den Jahren in irgendwelchen Kartons oder Kellern verstauben. Wir sind über jede Hilfe dankbar!
MG: Was ist liebstes/rarstes Stück aus der Sammlung des Ostmetal?
H: Am liebsten sind mir mittlerweile die Raritäten, an welche ich erst durch meine Webseite gekommen bin. Mittlerweile habe ich mehr Sachen, die ich vor zwanzig Jahren noch nicht kannte, als umgekehrt, denn der Ostmetal hat im Untergrund etliche Perlen hervorgebracht. Als Beispiel kann ich hier mal die Demos von Macbeth, Madhouse, Panther oder Rochus anführen, aber auch Live-Mitschnitte von „großen“ Bands wie Biest, Blitzz, Formel 1 oder MCB gehören zu meinen Favoriten.
MG: Mir spukt da gerade so eine Idee durch den Kopf. Wie wäre es, wenn man ein paar der alten Bands mal wieder kontaktiert und ein kleines Festival auf die Beine stellt? Oder vielleicht auch nur eine kleine Konzertreihe?
H: Es wurde schon von mehreren Leuten in verschiedenen Städten versucht, solch einen Event auf die Beine zu stellen, aber die Resonanz ist im Vorfeld nie groß genug gewesen, daß sich das unternehmerische Risiko gelohnt hätte. Doch es gibt momentan wieder Überlegungen, Ostmetal-Bands von damals und heute zusammen auf die Bühne zu bringen, jedoch ist noch nichts davon spruchreif.
MG: Möchtest du noch etwas an unsere Leser loswerden?
H: Aber sicher: Unterstützt auch die Bands, die nicht oder nur selten in den überregionalen Metal-Magazinen stattfinden, damit der Untergrund weiterlebt!
MG: Na dann danken wir dir für das Gespräch und hoffen, dass ihr noch mehr rares Material finden werdet!
dk
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